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Die zehn häufigsten Fehler bei der Patentbewertung


Wenn man über die Patentbewertung spricht, hat jeder eine gewisse Vorstellung in Bezug auf Bewertung und Patentwert. Dieser Artikel soll die am häufigsten erlebten Fehler darstellen, wenn Erfinder oder Patentinhaber ihre eigenen Patente bewerten. Insbesondere werden in diesem Artikel auch Fehler beschrieben, die im Zusammenhang mit dem allgemeinen Verständnis eines Wertes, dem Umfang der Bewertung und dem Unterschied zwischen Wert und Preis vorkommen.

1. Verwechseln von Wert und Preis

Der Wert eines bestimmten Gutes ist etwas, was durch die Anwendung verschiedener Methoden bestimmt werden kann, wie die Marktanalyse, der Kostenansatz oder der Ertragsansatz. Der Preis hängt dagegen davon ab, was ein Käufer schließlich dafür bezahlt. Dieser Preis kann deutlich höher liegen, wenn z.B. ein Käufer in einer Auktion sicherstellen möchte, dass er das Patent anschließend sein Eigen nennen darf. Hat eine Technologie für einen Interessenten eine strategische Bedeutung, z.B. durch das Aussperren des Wettbewerbers für alternative Lösungen, kann dieser strategische Preis für diesen bestimmten Käufer höher sein als ein berechneter Ertrags- oder Marktwert. Auch ein niedrigerer Preis ist denkbar, wenn beispielsweise der erwartete Ertrag mit einem Patent von einem potenziellen Käufer aufgrund eines begrenzten Marktzugangs oder einer bestehenden alternativen Produktfamilie auf dem Markt niedriger bewertet wird.

2. Bewertungsanlass nicht berücksichtigt

Der Anlass der Bewertung hat einen Einfluss auf den berechneten Wert sowie die verwendete Methodik (siehe unten). Leider berücksichtigen Methoden wie Ertragswerteansatz, Marktwertanalogie oder Kostenansatz diesen nicht in ihrer Berechnung. Der Ertragswerteansatz ermöglicht zumindest die Anwendung verschiedener Szenarien z.B. ein „worst case“ oder „best case“. Tatsächlich macht es einen Unterschied, ob Sie nur einen groben Überblick über Ihren Portfolio-Wert haben wollen oder ob Sie Patente verkaufen wollen oder ob Ihr Patent innerhalb kurzer Zeit im Insolvenzverfahren veräußert werden muss.

3. Ungeeignete Methode verwenden

Ertragswert ist kein Kostenwert und kein Marktwert. Abhängig von der verwendeten Methodik, werden die berechneten Werte unterschiedlich ausfallen, die Werte können sich signifikant unterscheiden. Viele brillante Erfindungen sind zufällige Erfindungen wie z.B. der Post-it Klebstoff. In diesem Fall würde der Kostenansatz einen sehr niedrigen Wert liefern, denn es gibt keine großen Kosten zuzuordnen. Der Ertragswerteansatz würde dagegen einen enormen hohen Wert liefern. Der indikatorbasierte Marktwert würde einen Wert berechnen, der ähnlichen Patenten (in Bezug auf seine Merkmale / Indikatoren) entspricht, die in der Vergangenheit gehandelt wurden. Nach letzterer Methode würde der Wert berechnet, der einem potenziellen Handelswert für das Patent entspricht. Alle oben genannten Ansätze können sehr unterschiedliche Werte liefern, aber alle sind anerkannte Methoden zur Bewertung eines Patents.

4. Ertragswert falsch anwenden

Spricht man von Patentbewertung, verstehen viele darunter einen „Ertragswert“. Wie bereits erwähnt, sind aber mehrere Bewertungsansätze anerkannt. Bei dem Patentverkauf oder der Aktivierung eines Patents in der Bilanz ist z.B. ein Marktwert (= Fair Value) angemessen. Der Ertragswerteansatz erfordert viel Recherche und die Ergebnisse dieses Ansatzes sind aufgrund zahlreicher Annahmen wenig präzise. Wenn man die Berechnung eines Ertragswertes durchführt, sind folgende Punkte zu beachten:

  1. Kosten nicht hinreichend berücksichtigt: Der Ertragswerteansatz berücksichtigt den möglichen Gesamtgewinn z.B. durch die Anwendung der Discounted-Cashflow-Methode. Neben dem potenziellen Ertrag (direkte Einnahmen, z.B. durch den Anteil an einem bestimmten Produkt, das mit dem Patent abgedeckt ist – hier ist auch der Anteil des Patentes am Produkt zu berücksichtigen - oder indirekte Einnahmen, z.B. die Einsparung von Kosten infolge eines optimierten Prozesses) müssen alle Kosten berücksichtigt werden. Kosten umfassen Engineeringkosten, Zulassungs- & Qualitätsmanagement Kosten, Herstellungskosten, alle Arten von Marketing-und Vertriebskosten, Gehälter sowie Overheadkosten. Es ist sinnvoll, die Kosten zu berechnen, als ob alle benötigten Dienste und die Infrastruktur komplett gekauft werden müssten. Die Kostenseite wird in den meisten Fällen unterschätzt.

  2. Relevanter Markt und Marktanteil (entsprechend der Patentfamilie) Die Ermittlung der Marktanteile ist das Ergebnis einer detaillierten Marktsegmentierung. Oft wird dabei der gesamte relevante Markt betrachtet und dann werden fiktive Anteile, z.B. 10% des relevanten Marktes, aufgenommen. In der Realität sind die erreichbaren Marktanteile in der Regel deutlich geringer, bei denen z.B. auch ein Marktzugang verfügbar ist. Vor allem für eine neue Technologie, die eine bestehende Technologie im Markt ablösen soll, wird es in den ersten Jahren besonders schwierig sein. Insbesondere dann, wenn zusätzliche Investitionen auf Kundenseite hierfür erforderlich sind. Die sehr hohen Kosten zur Überwindung von Marktbarrieren, z.B. bei etablierten Produkten und ihren etablierten Prozessen werden oft unterschätzt. Ein realistischer Vertriebszyklus dauert besonders bei radikalen Innovationen oft viele Jahre und führt am Anfang zu keinen nennenswerten oder bestenfalls nur kleinen Marktanteilen. Für die Marktanteilsbestimmung ist auch die Patentfamilie zu berücksichtigen: Nur diejenigen Länder, die mit dem Patent (Patentfamilie) abgedeckt sind, können auch berücksichtigt werden.

  3. Die Bedeutung des Marktzugangs Oft wird nicht berücksichtigt, dass ein Marktzugang (z.B. bestehende Vertriebskontakte, Absatzkanäle, Repräsentanzen) für eine bestimmte Technologie vorhanden sein muss. Dies ist eines der Hauptprobleme des Ertragsansatzes, denn der Marktzugang eines Verkäufers (der den Ertragswert berechnet hat) entspricht in den meisten Fällen nicht dem Marktzugang eines potentiellen Käufers. Auch wenn ein Marktzugang vorhanden ist, müssen die Vertriebsmitarbeiter in der Lage und bereit sein, zu verkaufen. D.h. das Produkt muss aktiv gefördert werden, Verfügbarkeit und Service/Support müssen gewährleistet sein.

5. Die Bedeutung der Familiengröße unterschätzen

Wie bereits erwähnt, muss die regionale Schutzabdeckung den maßgeblichen Märkten entsprechen. Heutzutage arbeiten die meisten Unternehmen, die sich für Patente interessieren oder Patente anmelden, weltweit. Wenn ein Patent nur z.B. in Deutschland gültig ist, ist der Monopolvorteil in den Produkten schwer zu nutzen, da in den meisten Fällen der Produktverkauf nicht nur auf Deutschland beschränkt ist. Ein potentieller Käufer oder Lizenznehmer wird nicht auf seine Exklusivität in allen anderen Ländern verzichten wollen, wenn er in ein neues Produkt investiert.

6. Nicht zwischen den angemeldeten und erteilten Patenten unterscheiden

Nein, ein Patent muss nicht unbedingt erteilt sein, um in Produkten genutzt, lizenziert oder verkauft zu werden. Es ist aber trotzdem eine wichtige Wertdeterminante, denn es spiegelt schließlich die Rechtsbeständigkeit wieder. Für eine Anmeldung ist der berechnete Wert i.d.R. vage und führt normalerweise daher zu einem Abzug. Dies liegt an der Ungewissheit, ob eine Erfindung den Anforderungen entspricht (Neuheit, erfinderische Höhe, Technizität)? Möglicherweise kann das Patent seinen Charakter in Teilen verlieren oder wird gänzlich wertlos sein. Eine Erfindung mit einer großen Anzahl von erteilten Patenten in der Familie lässt sich einfacher verkaufen oder lizenzieren und führt normalerweise am Ende auch zu einem höheren Preis.

7. "Not invented here"-Problem ignoriert

Patentbewertung wird häufig vor dem Hintergrund eines Patentverkaufs durchgeführt und in vielen Fällen erfolgt die Bewertung intern ohne externe Unterstützung. Häufig fragen sich die Eigentümer eines Patentes, warum sich der Patentverkauf viel schwerer darstellt, als erwartet. Unternehmen, die Millionen mit der Erfindung verdienen oder einsparen könnten, haben kein Interesse. Warum? Meistens glauben die Unternehmen nicht an einen Wert, der vom Eigentümer oder sogar vom Erfinder selbst berechnet wurde. Es muss einen Grund geben, warum es verkauft wird und wenn ein potenzieller Wert so hoch ist - warum wird es dann verkauft? Und wenn die Erfindung revolutionär ist, warum haben es die eigenen Spezialisten, die jahrelang auf diesem Feld arbeiten, dann nicht erfunden? Diese Skepsis wird zusammenfassend als "not-invented-here“-Syndrom genannt und das macht es extrem schwierig, die Tür eines potentiellen Käufers mit einer Erfindung zu öffnen, insbesondere dann, wenn ein Wert vom Verkäufer selbst berechnet wurde.

8. Zu optimistischer Erfinder

Viele Erfinder glauben, sie seien selber zu klein oder aus irgendeinem Grund nicht in der Lage, ihre eigene Erfindung zu verwerten, aber ein Unternehmen von einer bestimmten Größe und Marktpräsenz wird Millionen damit machen. Sie sind der Überzeugung, dass große Unternehmen auf genau diese Erfindung gewartet haben müssen. Die Realität ist leider anders. Häufig haben potenzielle Käufer keine Prozesse, um selbst den Erwerb fremder Patente zu bewerten, solange sie nicht konkret einem technischen Problem begegnen, das sie derzeit haben. Im Falle distruptiver Erfindungen könnten Kannibalisierungsängste dominieren. Schließlich wird nach Gründen gesucht, ein bestimmtes Patent nicht zu kaufen und kein Geld auszugeben, anstatt nach Chancen.

9. Den Unterschied zwischen qualitativem und monetärem Wert nicht verstehen

Ein qualitativer Wert spiegelt nicht den monetären Wert wider. Er wird verwendet, um z.B. Patente oder Patentportfolios miteinander zu vergleichen. Typischerweise wird ein qualitativer Patentwert auf einen bestimmten Satz von Indikatoren oder Kennzahlen unterteilt, die die Qualität eines Patents beschreiben. Ein qualitativer Wert muss nicht direkt proportional zu einem monetären Wert sein. Für monetäre Werte gibt es viele Faktoren zu berücksichtigen, z.B. wie sich bestimmte Indikatoren gegenseitig beeinflussen: ein Patent, das Kosteneinsparungen zur Folge hat, wird einen höheren Wert haben, wenn die Zielgruppe des betreffenden Produkts, Entscheidungen nach dem Preis trifft im Gegensatz zu einer Zielgruppe, deren Entscheidungen z.B. technisch/ innovationsorientiert sind. Auch Patente, die die Produktivität steigern, haben ihre höchste Wirksamkeit in Märkten mit kurzen Innovationszyklen und/oder kleinen Margen. Einsprüche können darauf hindeuten, dass ein Patent nah am Stand der Technik ist (schlecht für den Patentwert), aber auch, dass hier ein großes Verwertungspotenzial besteht (gut für den Patentwert).

10. Die Bedeutung von Patentportfolien im Gegensatz zu Einzelpatenten ignorieren

Für viele potenzielle Käufer von Patenten, vor allem für größere Unternehmen, ist nicht der potenzielle Kaufpreis die Hauptdeterminante, sondern die Sperrwirkung. Demnach sind einzelne Patente häufig nicht interessant. Bevorzugt wird ein komplettes technisches Portfolio, um den Mitbewerber komplett auszusperren. Das bedeutet, dass z.B. die verschiedenen Komponenten eines Systems (Sender, Empfänger, Protokoll und Verschlüsselung) oder bei einem Produkt, alle ihre konstruktiven Alternativen sowie das Herstellungsverfahren in einem Satz von Patenten geschützt sind, die als Patent- oder Technologie-Portfolio bezeichnet werden. Ein komplettes Portfolio hat höhere Chancen verkauft zu werden und kann zu einem höheren Preis im Vergleich zu seinen einzelnen Patentwerten führen.

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