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Welches Bundesland hat die wertvollsten Patente? Makroökonomische Patentbewertung als Ergänzung des


Im Süden werden die meisten innovativen Ideen geboren – so lautet das Ergebnis der Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Mit den höchsten F&E Ausgaben, den meisten Patentanmeldungen und weiteren Indikatoren sind Baden-Württemberg und Bayern wesentlich innovationsstärker als andere Bundesländer. Der Raum Stuttgart steht bei der Anzahl der Patentanmeldungen ganz vorne: im Jahr 2014 wurden dort 577 Patente je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angemeldet.

Die erwähnte Studie hat 85 speziell für die Analyse konzipierte Wirtschaftsräume miteinander verglichen. Fünf Indikatoren wurden dabei berücksichtigt: FuE Investitionen, innovationsrelevante akademische Arbeitskräfte, technologieorientierte Neugründungen, Breitband-Infrastruktur und Anzahl der Patentanmeldungen.[1] Diese aufschlussreiche Analyse möchten wir im Rahmen dieses Artikels mit zwei weiteren Indikatoren ergänzen, die im Folgenden erläutert werden.

Dabei beziehen wir uns auf die Anzahl der Patentanmeldungen in den einzelnen Bundesländern je 100.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte 2014. Die Daten vom IW sind auf der folgenden Abbildung zu sehen:

Abbildung 1: Patentanmeldungen nach Bundesländern je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Quelle: https://www.iwkoeln.de/_storage/asset/354713/storage/master/file/13235222/download/IW-K%C3%B6ln_PK-Innovationsatlas_24.07.2017-Materialien.pdf)

Die Analyse gibt einen Überblick über die Patentanmeldungen, die über das DPMA angemeldet wurden. Aber ist die Anzahl der angemeldeten Patente wirklich ein guter Indikator? Schließlich lässt sich alles Mögliche zunächst anmelden, ob es zur Erteilung kommt, hängt davon ab, ob es neu und erfinderisch ist sowie hinreichende Technizität aufweist. Demnach wird ein Großteil der angemeldeten Patente nicht erteilt und ist damit wertlos.

Quantität ist nicht gleich Qualität, dies lässt sich an den Patentanmeldungen in China ableiten, dort wurden in 2016 über eine Million Patente angemeldet, nur ein Drittel wurde aber auch erteilt (zum Vergleich USA: Erteilungsquote liegt bei ca. 50%)[2]. Die hohe Anzahl an Anmeldungen geht auf staatliche Anreizsysteme von Anmeldungen zurück. Quantität ist demnach wie so oft nicht gleich Qualität. Ferner werden Anmeldungen außer Acht gelassen, die direkt beim Europäischen Patentamt ober beim WIPO (World Intellectual Property Office) angemeldet werden.

Demnach wäre eine bessere Fragestellung: Wie hoch ist die Anzahl der erteilten Patente nach Bundesland, z.B. im Vergleich zum Vorjahr? Alternativ ließe sich die Qualität der Erfindungen (Anmeldungen und Erteilungen) mit abbilden, denn schließlich startet jede Erfindung mit einer Anmeldung und wird dann (bestenfalls) in ein erteiltes Patent überführt. Um darüber eine Aussage treffen zu können, hat InTraCoM GmbH eine Untersuchung durchgeführt und dabei zwei Indikatoren analysiert: zum einen die Anzahl der (von Unternehmen) angemeldeten Erfindungen und zum anderen die Verteilung der Patentwerte. Da wir unsere Analyse auf die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft beziehen, wurden die Werte je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte[3] berechnet. Hier sei angemerkt, dass die Bezugsgröße „sozialversicherungspflichtig Beschäftigter“ als Bezugsgröße aller Patentanmeldungen ungünstig gewählt ist: Ein großer Teil der Erfindungen die zur Patentanmeldung führen geht auf Unternehmer, Freiberufler, Gründer aber auch Rentner und sonstige nicht Beschäftigte zurück – diese Personengruppen sind alle nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Richtigerweise müsste man, im Umgang mit dieser Bezugsgröße daher nur die Patentanmeldungen (oder Erteilungen) betrachten, die von Unternehmen angemeldet werden, denn nur dort kann man davon ausgehen, dass die Erfinder maßgeblich in einem sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnis stehen.

Bei der Bestimmung des Wertes (Marktwertes) eines Patentes haben unterschiedliche Faktoren Einfluss: z.B. technische Qualität, Marktabdeckung, Marktattraktivität, rechtliche Aspekte usw. Die Marktwerte der Schutzrechte, die Gesamt-Patentportfoliowerte der im jeweiligen Bundesland ansässigen Unternehmen wurden mit dem Businessinformationsportal „Orbis“ des Anbieters Buerau van Dijk[4] zusammengetragen. In der Analyse werden Patente aller derzeit existierenden Unternehmen ab einem Patentportfoliowert von min. 1 Tsd. Euro wurden berücksichtigt.

Welches Bundesland hat die meisten Erfindungen?

Wie bereits diskutiert, kann es zu unpräzisen Ergebnissen führen, wenn man Innovationsstärke einer Region anhand der Patentanmeldungen allein beurteilt. Neben der recht unscharfen rein quantitativen Betrachtung liegt ein weiteres Fehlerpotenzial in Patentfamilien: eine Deutsche Patentanmeldung könnte lediglich ein Familienmitglied einer internationalen Patentanmeldung sein (PCT) oder vielleicht werden Patente eines Deutschen Erfinders generell beim Europäischen Patentamt angemeldet, dort wird Deutschland als ein EP Vertragsland ebenfalls mit abgebildet zusammen mit weiteren 37 Vertragsstaaten[5]. Diese Fälle verfälschen die Statistik, da in der IW Studie nur die Anmeldungen am Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) betrachtet wurden. Dementsprechend ist es sinnvoller, die Anzahl der gültigen Patentfamilien zu betrachten und mit dem Vorjahr zu vergleichen, um Trends zu entdecken.

Wie in der Tabelle zu sehen ist, entfallen auf Baden-Württemberg 2014 mit großem Abstand die meisten Erfindungen[6]. Baden-Württembergische Unternehmen haben ferner im Vergleich zu 2013 ihre ohnehin schon starke Patentaktivität um 3% steigern können. Niedersachsen konnte seine Position (im Vergleich zu den Patentanmeldungen 2014) nicht halten und liegt auf dem siebten Platz. Auf dem zweiten und dritten Platz liegen Bayern und Hessen, mit 2.678 bzw. 1.868 Patentanmeldungen je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Tabelle 1: Prozentuale Entwicklung der Anzahl der Erfindungen je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 2014 zu 2013 nach Bundesland. Sortiert nach Anzahl der Erfindungen 2014 je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Welches Bundesland hat die wertvollsten Patente?

Im Folgenden ist die Verteilung der Patentwerte nach Bundesländern zu finden (Patente aller aktuell existierenden Unternehmen ab einem Patentportfoliowert von min. 1.000 Euro wurden berücksichtigt), bezogen auf jeweils 100.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte – wie in der Studie des IW.

Wie aus dem Diagramm zu entnehmen ist, sieht auch hier die Verteilung der Positionen anders aus, als in der IW-Analyse. Hessen liegt jetzt knapp auf der ersten Position und Baden-Württemberg verschiebt sich auf den Platz zwei. Rheinland-Pfalz hat die drittwertvollsten Patente bezogen auf die 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Bayern und Nordrhein-Westfalen folgen auf den Positionen vier und fünf.

Diese Darstellung zeigt deutlich, dass die Anzahl der Patentanmeldungen nur eine mögliche Analyseform sind und nicht notwendigerweise eine hinreichende Betrachtung ist: den Marktwert und damit auch die Qualität der Patente im jeweiligen Bundesland ansässigen Unternehmen zu messen, um daraus eine standortbedingte Innovationsfähigkeit abzuleiten ist deutlich plausibler, insbesondere, wenn man als Bezugsgröße die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wählt.

Abbildung 2: Durchschnittlicher Patentwert je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 2014 nach Bundesland

Wie hat sich der Patentwert 2014 im Vergleich zu 2013 verändert?

Um regionale Veränderungen und deren Auswirkungen messen zu können bietet es sich an, die Werte mit einem Referenzzeitraum, z.B. dem Vorjahr zu vergleichen. Im Folgenden werden die absoluten Patentwerte nach Bundesland im Jahre 2014 mit denen im Jahr 2013 verglichen und deren prozentuale Veränderung dargestellt.

Bei dieser Übersicht stehen Bremen und Niedersachsen ganz vorne: zwischen 2014 und 2013 haben die Patentwerte der in den jeweiligen Bundesländern ansässigen Unternehmen um 11 bzw. 10 Prozent zugenommen. Obwohl Baden-Württemberg und Bayern die höchsten Patentwerte haben, ist der Trend von 2013 und 2014 leicht negativ. In drei anderen Bundesländern ist die Dynamik der Patentwerte ebenso negativ, dabei verlieren die Unternehmen aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern über 5 Prozent an Patentwert.

Tabelle 3: Prozentuale Entwicklung der Patentwerte 2014 zu 2013 je 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Bundesland

Wie sieht die Entwicklung der Patentwerte 2016 aus?

Im Folgenden werden die absoluten Durchschnittswerte für 2014-2016 dargestellt. Damit lässt sich so etwas wie eine Effektivität bestimmen. Hier ist allerdings grundsätzlich immer der Einfluss der Gesamtsumme der verfügbaren Patente zu betrachten: Je kleiner die Gesamtsumme der Patente, desto drastischer wirken sich einzelne gute (hochwertige) Patente auf den Durchschnittswett aus.

Bei der Entwicklungsanalyse zwischen 2014 und 2016 ist die positive Dynamik im ganzen Deutschland bemerkbar. In keinem der Bundesländer ist innerhalb des erwähnten Zeitraums der Durchschnittsfamilienwert gesunken. Ein Viertel der Bundesländer hat sogar mehr als 20 Prozent Zuwachs (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen). Das in den anderen Untersuchungen führende Baden-Württemberg liegt mit einem Zuwachs von 8% sogar noch unter dem Durchschnitt von 12%, beim Durchschnittsfamilienwert rangiert es 2016 auf Platz 13.

Tabelle 4: Anzahl der Erfindungen, Patentwert und Entwicklung des Durchschnittsfamilienwertes 2016 im Vergleich mit 2014 nach Bundesland

Fazit

Die Analysen machen eines ganz deutlich: Die (richtigere) Darstellung der im jeweiligen Bundesland ansässigen Unternehmenspatente bezogen auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liefert ein etwas anderes Bild über die Innovationsfähigkeit des jeweiligen Landes. Eine Analyse des jeweiligen Trends (Vergleich mit einem geeigneten Referenzzeitraum ist wichtig, um Veränderungen z.B. als Folge politischer Entscheidungen, Infrastrukturprojekte oder genereller Ereignisse und regionaler Entwicklungen beobachten zu können. Generell lässt sich insbesondere mit der letzten Darstellung zeigen, dass sich je nach gewähltem Quotienten unterschiedliche Ableitungen treffen lassen.

 

[1] https://www.iwkoeln.de/_storage/asset/351314/storage/master/file/13235175/download/IW-Analyse_117_Innovationsatlas_2017.pdf

[2] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Globale-Statistik-China-bricht-alle-Patentrekorde-3502422.html

[3] https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201412/ama/heft-arbeitsmarkt/arbeitsmarkt-d-0-201412-pdf.pdf

[4] https://orbis.bvdinfo.com

[5] Derzeitige Vertragsstaaten am Europäischen Patentamt: AL, AT, BE, BG, CH, CY, CZ, DE, DK, EE, ES, FI, FR, GB, GR, HR, HU, IE, IS, IT, LI, LT, LU, LV, MC, MK, MT, NL, NO, PL, PT, RO, RS, SE, SI, SK, SM, TR,

[6] Mit Erfindungen sind hier die zum Patent angemeldeten Patentfamilien gemeint. Eine Patentfamilie sind nach der hier verwendeten Definition alle äquivalenten Patente, d.h. dieselbe Erfindung mit Gültigkeit in unterschiedlichen Ländern. Eine Patentfamilie kann demnach mehrere einzelne Patente beinhalten, die allerdings alle dieselbe Erfindung betreffen.

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